Deutschlands wichtigste Cum-Ex-Ermittlerin Anne Brorhilker wird die Justiz verlassen – und übt Kritik.

Ihre Ermittlungen führten zu den ersten Urteilen im größten Steuerskandal der bundesdeutschen Geschichte und brachten sogar Olaf Scholz in Erklärungsnot: Chefermittlerin Anne Brorhilker verlässt nach Informationen von WDR-Investigativ die Justiz. Die eigens für den größten deutschen Steuerskandal eingerichtete Hauptabteilung der 50-jährigen Oberstaatsanwältin ermittelt derzeit gegen mehr als 1700 Beschuldigte. Geschätzte zwölf Milliarden Euro sollen die Cum-Ex-Geschäfte die Steuerzahler gekostet haben. Banker, Berater und Aktienhändler ließen sich Steuern erstatten, die nie jemand gezahlt hatte. In diesem Exklusiv-Interview mit WDR-Investigativ spricht die Strafverfolgerin erstmals über ihre Entscheidung.

  • klisklas@feddit.de
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    8 months ago

    Ich denke viele Leute projizieren ganz gerne. Sie wären auch gern so clever und reich und dreist (eben ein Leistungsträger). Deshalb sind auch viele gegen eine Vermögens- und potente Erbschaftssteuer, obwohl es die meisten ja nie betreffen würde. 40% der Berliner stimmten auch gegen DW enteignet, obwohl die wenigsten mehr als 3000 Wohneinheiten privat besitzen. Und es haben zehn Mal mehr Leute die Elterngeld Petition unterschrieben als das es Familien mit Einkommen über 150 Tsd Euro im Jahr gibt. Ich denke deutsche verstehen ihre Klasse nicht in der sie sich befinden.

    • flora_explora@beehaw.org
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      8 months ago

      Zusätzlich zu dem, was du beschreibst, kann ich mir vorstellen, dass es darum geht in der Klassengesellschaft möglichst aufzusteigen. Wenn du allerdings die Hierarchie angreifst, dann drohen dir Sanktionen und Abstieg. Ähnlich wie viele Frauen sexistisch sind oder Migrant:innen über andere Migrant:innen herziehen. Gleichzeitig lockt dann noch das Versprechen, wenn du ne “brave” Frau oder ein:e “gute” Migrant:in oder eben ein “guter” Mittelschichtsmensch bist, dass was für dich abfällt und du dafür gelobt wirst.

      Und die Kehrseite der Medaille wäre ja auch, dass die (Klassen)Gesellschaft selbst in Frage zu stellen bedeutet, diesen ganzen Widersinn zu erkennen und gesellschaftliche Normen zu hinterfragen. Das würde eben auch ne große Destabilisierung für viele bedeuten, weil sie sich dann eben nicht mehr an diesen gesellschaftlichen Regeln festhalten könnten. Da ist es dann einfacher, den Normen entsprechend nach unten zu treten und nichts weiter zu hinterfragen.

      • aaaaaaaaargh@feddit.de
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        8 months ago

        Ich habe selten so eine schöne Zusammenfassung der Missstände des hiesigen Selbstverständnisses gelesen wie von euch hier angeführt. Danke.

      • klisklas@feddit.de
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        8 months ago

        Tausend mal diese!

        Verbesserung der eigenen Lebensumstände bedeutet für beinah alle sich ins Hamsterrad zu begeben, nach unten zu treten und hoffentlich oben über allen anderen wieder raus zu kommen. Etwas anderes können sich die meisten nicht vorstellen.

    • Killing_Spark@feddit.de
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      8 months ago

      Das mit dem Erbe und Enteignung geht glaube ich noch ein Stück weiter. Alles was du sagst ist mMn nach richtig aber es gibt noch eine Komponente:

      Eigentum/besitz ist das letzte was dem Bürger noch heilig ist, was ihm das Gefühl gibt Kontrolle zu haben. Auch wenn es erstmal nur gegen die Reichen geht ist das quasi eine Tabu Überschreitung und man weiß ja nie wohin sich so eine Situation entwickelt wenn der Damm einmal gebrochen ist.

      Mit dem selben Argument wurde damals gegen die Befreiung von Sklaven widersprochen bzw Entschädigungen gefordert.

      Das Erbe ist da nochmal ein Sonderfall. Die meisten sehen das Erbe quasi schon als ihren rechtmäßigen Besitz an auch bevor es ihnen übertragen wurde.

      Hier sind einfach in den Köpfen vieler Leute Ängste einprogrammiert sobald in diese Bereiche eingegriffen wird.

      • klisklas@feddit.de
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        8 months ago

        Stimmt, Eigentum ist extrem hoch gestellt in der heutigen Gesellschaft.

        Aber gibt es aktuell nicht schon eine Erbschaftsteuer, welche eben Reiche nicht proportional belastet? Auf ein kleines Erbe zahlt man schnell zweistellig Steuern, auf ein Multimillion Erbe hingegen im kleinen einstelligen Bereich. Der Damm ist quasi schon gebrochen. Insbesondere auch beim Thema Arbeitslosigkeit wird den Menschen doch relativ rasch alles genommen, Reformen scheiterten an der Union im Bundesrat. Vergleicht man das nun beispielsweise mit Menschen wie Benkö (ich weiß er ist Österreicher, ist nur ein Beispiel weil grad aktuell), so wird er auch der super Pleite sicherlich nicht mittellos raus gehen.

        Und genau dieses System wird von einer Mehrzahl der Menschen gestützt obwohl es zu ihrem Nachteil ist. Verlustängste spielen vielleicht eine Rolle. Vielleicht ist aber auch der ewige Konkurrenzkampf den Leuten inherent, schließlich schauen wir alle auch gerne Sport etc. und die meisten lieben es sich mit anderen zu messen. Auf gesellschaftlicher Ebene kommt dann eben sowas wie aktuell bei heraus.

        • Killing_Spark@feddit.de
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          8 months ago

          Also kurz zu dem Erbe: ja klar gibt es eine Erbschaftssteuer, die hat aber

          1. relativ hohe Freibeträge (400k pro Kind, 500k beim Ehepartner)
          2. bei Firmen die vererbt werden nochmal extra Löcher

          Die wird so wie sie gerade ist akzeptiert weil sie nur relativ wenige Leute betrifft die sich “blöd” anstellen und tatsächlich mehrere Millionen in einem Rutsch vererben. Jede Verschärfung wird dann eben von denen die das nutzen wollen (oder davon träumen es mal nutzen zu können) eben abgelehnt, weil sie der Meinung sind das Erbe wäre schon ihr Besitz.

          Beim Thema Arbeitslosigkeit ist es anders, dir wird nicht geholfen bis du mittellos bist. Das ist nicht direkt eine Abgabe die man intuitiv als Enteignung sehen würde.

          • klisklas@feddit.de
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            8 months ago

            Jede Verschärfung wird dann eben von denen die das nutzen wollen (oder davon träumen es mal nutzen zu können) eben abgelehnt, weil sie der Meinung sind das Erbe wäre schon ihr Besitz.

            Hier ist ja mein Punkt, es sind deutlich (!) mehr Leute in Opposition zu einer schärferen Erbschaftssteuer als es jemals Leute geben wird die es betrifft (wie du schon sagtest, die Freibeträge sind recht großzügig). 50% der Almans denken sie gehören zu den oberen 2%, stattdessen merken sie gar nicht wie das obere 2% aktiv gegen sie Politik betreibt. Das ist fehlendes Klassenbewusstsein.